Otto Beck

Geboren 1906 in Eger/Böhmen, wo seine Familie bis zur Ausweisung aus dem Sudetenland (1945) ein Likörunternehmen betrieb, kam Otto Beck 1950 nach Neckarsulm, wo er mit einigen anderen Schachfreunden - darunter die im württembergischen Unterland unvergessenen Willi Dollmann und Georg Wagner - 1951 einen Schachclub gründete, der sich unter seiner und Alexander Kurschs Leitung bald zu einem betriebsamen Verein entwickelte. 1952 gewann Beck die erstmals ausgetragene Vereinsmeisterschaft und stieg mit der 1. Mannschaft, die auf Anhieb den Meistertitel der Heilbronner Kreisklasse holte, im gleichen Spieljahr in die Unterländer Bezirksklasse auf. In den 1950er/60er Jahren spielte er dann mit seiner Mannschaft, die bald weitere Erfolge verbuchen konnte, auch viele Jahre in der württembergischen Landesliga.
Zu den weiteren Erfolgen bzw. Aktivitäten von Otto Beck zählten u. a. sein 1. Platz bei der Pokalmeisterschaft des Vereins 1958 und der nochmalige Gewinn der Vereinsmeisterschaft im Jahr 1962, seine Initiativen für den Schachunterricht an Neckarsulmer Schulen sowie die Austragung des württembergischen B-Meisterturniers in Neckarsulm 1959. Von 1960 bis 1966 war er zudem als Spielleiter des Schachbezirks Unterland-Hohenlohe tätig. 1977 starb er nach langer schwerer Krankheit. Bis zuletzt war er am Schachgeschehen beteiligt, wovon auch eine von ihm seit 1951 bis zu seinem Tode geführte 2-bändige Chronik des Neckarsulmer Schachclubs Zeugnis ablegt.
Zum Gedenken folgt eine Partie von Otto Beck gegen einen seiner Zeit führenden Spieler des Schachclubs Amorbach Johann Thullner. Die Partie wird kommentiert von seinem in Göttingen lebenden Sohn Prof. Dr. Günther Beck, der in den 1950er/60er Jahren selbst im Neckarsulmer Schachclub aktiv war.

Weiß: Thullner,Johann Schwarz: Beck,Otto
Die Partie - gespielt in der Neckarsulmer Stadtmeisterschaft 1968 - zeigt nicht nur sehr schön die bekannten tückischen Verwicklungen der "Sizilianischen", sondern auch die strategischen Überlegungen und Fehlgriffe, wie sie sich häufig nicht nur in Schnellschachpartien, sondern eben auch in einer durch Zeitbegrenzung (und Zeitnot!) beschränkten "normalen" Turnierpartie ergeben. - Eigene Missgriffe der Art, wie sie der Zug 27. ... Dd6 (mit nachfolgendem Sf4: von Weiß) zeigt, pflegte Otto Beck mit den Worten zu kommentieren: "Ein Reinfall, dagegen ist Schaffhausen nichts!"
1. e4 c5 2. Sf3 Sc6 3. d4 cd4: 4. Sd4: d6 5. Sc3 Sf6 6. Le2 e6
Durch Zugumstellung ist die Grundstellung des sog. Scheveninger Systems (mit dem elastischen Bauernblock d6/e6) entstanden, das Beck, der sich gerne an den Lehrwerken von Dr. Max Euwe, dem "Erfinder" dieser Variante der Sizilianischen, orientierte, häufig anwandte.
7. Le3
Weiß zeigt an, dass er bedingungslos auf Angriff (mit langer Rochade und Bauernsturm am Königsflügel) spielen will.
7. ... Le7 8. Dd2 0-0 9. 0-0-0 a6 10. g4
Eine Art "Keres-Angriff", bei dem hier allerdings der Bauer auf g4 als Opfer angeboten wird (nach SCHWARZ, Sizilianische Verteidigung, 1966, S. 400, mit Vorteil für den Nachziehenden); g4 erfolgt normalerweise vor dem und ohne den Zug Le3. Die Zugfolge Le3 mit g4 (wobei dem Zug g4 vielleicht besser f3 vorausgehen sollte) führt aber auf jeden Fall zu interessanten und - wie eingangs erwähnt - tückischen Verwicklungen.
10. ... Sd4: 11. Ld4: e5 12. Le3 Lg4: 13. f3
Mit dieser "Frechheit" - nämlich der Öffnung der g-Linie (auch 12. ... Sg4: ist möglich) - hatte Weiß wohl nicht gerechnet. Vielleicht ist so auch der nachfolgende Zug f3 zu erklären, der aber hier aus positioneller Sicht zu defensiv erscheint, da er die "Entlastung" des schwarzen Gegenspiels durch 14. ... Sh5 mit nachfolgendem Sf4 ermöglicht. 13. Thg1 dürfte hier auf jeden Fall der geeignetere Zug sein, weil er nach 13. ... Le2: 14. De2: größere Verwicklungen - und Chancen - für Weiß eröffnet; z. B. darf Schwarz, wie in der Partie, nicht 13. ... Le6 spielen, da nach 14. Lh6 g6 die Qualität dahin ist. (Es geht nämlich nicht 14. ... Se8 15. Lg7: Sg7: 16. Dh6 Lf6 17. Tg7:+ und Weiß gewinnt.) Nach 13. ... Le2: 14. De2: muss Schwarz schon ziemlich genau spielen, um nicht in Nachteil zu geraten (z. B. 14. ... Kh8 - noch am besten! - 15. f4 mit weiterem Druckspiel).
13. ... Le6 14. h4
Wiederum dürfte Thg1 der geeignetere, weil aggressivere Zug sein.
14. ... Sh5 15. De1
Die Folge des Zuges 14. h4, denn jetzt ist dieser Bauer angegriffen; konsequenter wäre es allerdings, ihn dennoch nicht zu verteidigen, sondern mit Thg1 oder Tdg1 weiter auf Angriff zu spielen.
15. ... Tc8
Leitet die Gegeninitiative ein.
16. Kb1 Sf4 17. h5
Nur scheinbar besonders angriffsstark. Besser ist auf jeden Fall Lf4: oder Lf1.
17. ... Se2:
auch Sg2 ist gut
18. Se2:
De2:? Tc3:! mit nachfolgendem Da5; jetzt erweist sich die Stärke von 15. ... Tc8.
18. ... Dc7 19. Dd2
Der Stellung angemessener dürfte Sc3 sein, denn jetzt kommt der Angriff von Schwarz in Schwung:
19. ... f5! 20. Thg1
Zu spät!
20. ... f4 21. Lf2 Tfd8 22. Tg2 d5 23. Tdg1 de4:!
Schwarz verliert keine Zeit mit Verteidigungszügen, obwohl auch Lf6 gut ist.
24. Tg7:+ Kh8 25. Dc1 Da5 26. a3.
Besser ist sicherlich b3; aber nach 26. ... Lf6 dürfte die Sache für Weiß ebenfalls schlecht stehen.
26. ... Dd5 27. b3 Dd6?
Ein ziemlicher Missgriff bzw. ein schwerer Fehler, den aber Weiß nicht entdeckt. (Der Zug Dd6 soll a3 angreifen und gleichzeitig den Le7 sichern.) Richtig ist 27. ... Lf6!
28. Db2 (?)
Weiß erkennt die Chance nicht: Nach Sf4:! wäre Schwarz plötzlich selbst in einer recht bedrohlichen Situation. Es geht nämlich nicht ef4: wegen Db2, und Schwarz ist verloren. Nach 28. ... Lf5 29. Sg6+ steht Weiß sowohl nach Kg7: (hg6: 30. Dh6 matt) 30. Se7:+ Kf8 (Kf7 31. Tg7+!) 31. Sf5:, wie auch nach Lg6: 30. T1g6: klar besser (so folgt etwa auf 30. ... Dd1, um Dh6 zu verhindern, 31. Tg8+!). Nicht leicht für den Nachziehenden wird es auch nach 28. ... Lf6; denn nach 29. Se6: Lg7: (De6:? 30. Dh6 mit nachfolgendem Matt) 30. Sd8: Td8: 31. fe4: hat Weiß bei abgesicherter Stellung einen Bauern mehr. (Es geht auch 30. Sg7: ef3:; allerdings hat dann Weiß wegen der schwarzen Freibauern auf e5 und f3 mit größeren Risiken bei der Gewinnführung zu rechnen als nach 30. Sd8:) Auf 28. ... Lb3: - noch das Beste! - folgt 29. Sg6+ Kg7: (hg6: 30. Dh6 matt) 30. Se7:+ Kf7 31. Sc8: Tc8:, und Weiß dürfte nach 32. Dg5 Remis halten (Lc2:+ 33. Kb2 ef3: 34. Dg7+ Ke6 35. Dh6+ Kd5 36. Dd2+ Ke6 37. Dh6+).
28. ... Lf6
Nun ist Weiß eigentlich kaum mehr zu retten. Dennoch ist der Gewinnweg noch mit weiteren Tücken gepflastert.
29. Tb7: e3 30. Le1 Lf5
noch besser ist Dd1+ 31. Sc1 Lf5
31. Lc3 Tc6 (?)
Der Zug Tc6 lässt Weiß noch Möglichkeiten, die nach 31. ... Tc3: minimiert werden konnten.
32. Ka2 (?)
Nach Tf7! hat Schwarz noch Probleme: 32. ... Te8 (Tf8 33. Tf6: Tf6: 34. Le5:) 33. Sf4:! mit verschiedenen möglichen Zugabfolgen, z. B. 33. ... Tc3: 34. Dc3: Tc8 35. Db4 Lc2:+ 36. Ka2 und unklarem Ausgang.
32. ... Tdc8 33. Tc1?
Weiß vergibt die letzte Möglichkeit, sich noch zu retten: Wiederrum war Tf7 der richtige - und nunmehr gebotene - Zug (denn es geht nicht 33. ... Tc3: 34. Sc3: e4 wegen 35. Se4:!).
33. ... Tc3: 34. Sc3: e4 35. Se4: Le4: 36. Td7.
Ein Spaß! Da beide Partner den letzten Teil der Partie vermutlich unter Zeitdruck spielten, sind jedoch solche Züge dazu geeignet, den Gegner zu verunsichern.
36. ... Lb2: 37. Td6: Lc1: 38. Td1 Tc2:+ 39. Kb1 Tc8+ 40. fe4: Ld2
und Weiß gibt gleichzeitig mit der Zeitkontrolle auf.

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